Nach den Wahlen

Nach dem überraschend deutlichen Erfolg von VdB herrscht bei vielen, die in den letzten Wochen gegen Hofer aktiv wurden, Erleichterung und Freude. In diesem Artikel diskutieren wir nicht nur das Wahlergebnis, sondern auch wie und warum die organisierte Linke zukünftig aktiver in Wahlkämpfe eingreifen muss.

Von bürgerlicher Seite und Medien ist die Erklärung wenig überraschend klar: VdB hatte recht damit, für Stabilität und einen pro EU-Kurs einzutreten – ganz nach dem Motto: wir können weitermachen wie bisher.
Diese Einschätzung ignoriert jedoch, dass bei zwei Dritteln der VdB-Wähler_innen der Faktor „Hofer verhindern“ das entscheidende oder zumindest das mitentscheidende Wahlmotiv war. Das Videostatement der 89 jährigen KZ-Überlebenden Gertrude brachte dieses Wahlmotiv am deutlichsten zum Ausdruck: Innerhalb von 24 Stunden wurde das Video eine Million mal angeklickt – für viele sprach sie das beängstigende Gefühl einer stärker werdenden FPÖ an. Kampagnen wie „Frauen gegen Hofer“ oder „Kultur vor President“ haben die Stimmung gegen Hofer ebenfalls aufgriffen. Zahlreiche pro-VdB-Initiativen haben ebenfalls Nichtwähler_innen mobilisiert, von denen VdB profitieren konnte.

Zum zweiten wird erklärt, Hofer hätte mit seinem aggressiven Auftritt vor allem im letzten Fernsehduell den Sieg verspielt. Dabei hatte sich schon in den letzten Monaten gezeigt, dass die FPÖ nicht um jeden Preis an die Macht kommen möchte. Kickls Auftritt beim rechtsextremen Kongress in Linz, Straches Posting der Kernstock-Hymne am Nationalfeiertag oder seine Bürgerkriegsaussage verdeutlichten ein verstärktes festhalten an den eigenen ideologischen Ansprüchen, die sich auch nicht von wahltaktischen Überlegungen beirren lässt. Zu stark sind die Erinnerungen vor allem im deutschnationalen Lager an Schwarzblau im Jahr 2000 und den Folgen. Damals verlor die FPÖ innerhalb von 2 Jahren die Hälfte ihrer Wähler_innenstimmen, nachdem sie für die Regierungsbeteiligung einen Großteil ihrer politischen Ansprüche aufgeben musste.

Die FPÖ brauchte keinen Wahlerfolg um als Sieger aus der BP-Wahl herauszukommen. Sie konnte mit ihren Positionen 46% der Stimmen gewinnen und geht gestärkt in die nächsten Nationalratswahlen. Oder wie es das deutsche Magazin Stern formulierte: „Statt einer Kraft ihres Amts in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkten Symbolfigur, bekommt Österreich jetzt einen Big Player im politischen Haifischbecken.“

Schlussendlich hätte Van der Bellens Pro EU und Pro Ceta Kurs seinen Sieg eher verspielt. Vor allem der hohe Anteil an Arbeiter_innen bei Hofer Wähler_innen zeigt, dass der etablierte politische Kurs ein Ablaufdatum hat. Während 70% der Van der Bellen Wähler_innen optimistisch in die Zukunft blicken, haben Hofer-Wähler_innen 70% einer pessimistischen Blick in die Zukunft.
Auch wenn die Wahlbeteiligung bei Arbeiter_innen mit 65% niedriger ausgefallen ist als im Durchschnitt, bleibt die zunehmende Verankerung der FPÖ eine wichtige Herausforderung für uns.
Kein größerer politischer Akteur spricht die Lebensrealität der Arbeiter_innen an, hier kann die FPÖ mit ihren rassistisch/nationalistischen Erklärungen punkten. Die Regierung bereitet dafür permanent den Boden vor, indem sie FPÖ Forderungen aufgreift und umsetzt.
Hinzu kommt, dass auch die SPÖ wiederholt zur Legitimation der FPÖ als normale Partei beiträgt. Die TV Aussprache von Kern mit Strache inklusive Lobeshymnen für den FPÖ Chef waren Ausdruck davon. Somit fehlt eine Kraft innerhalb der Arbeiter_innenklasse die sich klar gegen Rassismus stellt und die Konfrontation bei sozialen Themen aufnimmt.

Einen Unterschied die Ausstrahlungskraft der Arbeiter_innen-Organisationen: Am Land wählten SPÖ-Anhänger_innen eher Hofer als in der Stadt. Während sich dies vor allem in der Steiermark und Burgenland widerspiegelt, hat sich in Wien wiederholt gezeigt, dass ein deutlicherer Kurs gegen die FPÖ erfolgreich sein kann. Häupl mobilisierte mit Aussagen wie Hofer sei „eine Art von Mensch gewordenes Hassposting“ oder die FPÖ sei das „rassistische Gesicht Österreichs“ für Van der Bellen. Zahlreiche SPÖ Organisationen machten aktiv Wahlwerbung für Van der Bellen.
Die Kampagne „Gewerkschafterinnen für Van der Bellen“ konnte die passive Rolle der Gewerkschaften punktuell ausgleichen.

Weiters bestätigte sich – wie schon im ersten Wahlkampf – dass in Gemeinden mit hohem Ausländeranteil weniger Stimmen für Hofer zu holen waren. Eine Ursache dafür sind die vielfältigen antirassistischen Initiativen vor allem im Flüchtlingsbereich vor Ort.

Ein großes Problem ist die Legitimation der FPÖ. Die gesamte Aufstiegsgeschichte der FPÖ ist von ständiger Verharmlosung gekennzeichnet. Auf das Treffen von Bundeskanzler Kern mit FPÖ-Chef Strache wurde schon eingegangen. Darüber hinaus kann die FPÖ in den ihr nahestehenden Medien politische Diskurse nach ihrem Interesse bestimmen. Die Reaktionen vom Rest der politischen und medialen Landschaften reichen von Gespräch suchen bis bestätigen.
Der Höhepunkt ist das, was sich bei den beiden einzigen Demos gegen Hofer in den letzten Monaten abgespielt hat: Händeschütteln mit der FPÖ und Distanzierung von dem demokratischen Mittel Demonstration erzeugten in grünen und linken Kreise Verunsicherung und Hysterie „Eine Demo hilft nur Hofer“. Dass dem nicht so war, zeigten die Ergebnisse der Wahlen.
Die FPÖ muss auf allen politischen Ebenen isoliert werden – den Respekt, den viele Politiker_innen und ihre Anhänger im Umgang mit der FPÖ fordern, hat diese Partei einfach nicht verdient!

Auffallend in dem einjährigen Wahlkampf war das fehlende Auftreten der organisierten Linken. Während bei Identitären und Burschenschaften erfolgreiche Interventionen gelangen, tut man sich im Umgang mit der FPÖ weiterhin schwer. Abstrakte Debatten darüber, ob ein Aufruf GEGEN Hofer gleichzeitig ein Aufruf FÜR den ebenfalls nicht willkommenen VdB bedeuten würde, versetzte einen Großteil Linken in die Zuschauerrolle. Es ging zu keiner Zeit um VdB, was alle Umfragen zu den Wahlmotiven bestätigen. Für die Mehrheit stand die Verhinderung Hofers im Vordergrund – daran hätten wir als Linke klarer anknüpfen müssen.
Als Linke müssen wir die Gesamtheit der Kritik gegenüber der FPÖ erfassen und uns nicht nur an den ökonomischen Ursachen festbeißen. Die Initiative „Frauen gegen Hofer“ zeigte, wie es gehen kann. „Frauen gegen Hofer“ brachte die frauenfeindliche Politik der FPÖ in die Öffentlichkeit und bestätigte viele Frauen in ihrer Wahlentscheidung. Und so waren es wieder einmal Frauen, die mit ihren Stimmen einen BP Hofer verhinderten.

Davon können wir als Linke lernen – vor allem in Bezug auf die nächsten Nationalratswahlen – die vielen Stimmen gegen Rassismus und Sexismus aufzugreifen und zu stärken. Schlussendlich liegt es an uns die berechtigte Wut über eine stärker werdende FPÖ zu formieren und mit einer Gesamtkritik an der vorherrschenden Politik zu verbinden. Dies beinhaltet sowohl die zunehmenden Angriffe auf soziale Errungenschaften, als auch die steigenden Angriffe gegen Frauenrechte, Muslima, Geflüchtete und Demokratie!

Fußnote Arbeiter_innen:
Bei der Zuordnung Arbeiter_innen handelt es sich um eine rein arbeitsrechtliche Bezeichnung. Ein Großteil der Arbeiter_innen im ökonomischen Sinn werden dabei nicht mitgerechnet, sondern finden sich bei Angestellten, öffentlich Bediensteten oder Selbstständigen wieder. Weiters wird die politische Einstellung all jener nicht mit einberechnet, die keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. In Wien sind mittlerweile fast die Hälfte aller Arbeiter_innen ohne österreichische Staatsbürgerschaft. www.diealternative.org

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