Hard und Soft Facts zu Burschenschaften

Wie bereits nach dem Akademikerball, der früher WKR-Ball hieß, da er vom Wiener Korporationsring, einer Dachorganisation für deutschnationale Burschenschaften, organisiert wurde, im Jänner, als sie in der Hofburg tanzten, sind auch jetzt, am 4.Juni mit ihrem Marsch durch die Wiener Innenstadt, welcher als „Fest der Freiheit“ deklariert wird und auf das Revolutionsjahr 1848 Bezug nimmt, bei dem sich die Burschenschafter nur zu gerne als freiheitsliebende, die Menschenrechte vorantreibende Revolutionäre sehen, dieselben wieder in aller Munde und uns – sowie vielen anderen – noch immer ein Dorn im Auge. Zurecht, wie sich einmal mehr zeigt: Gerhard Schlüsselberger, Organisator des WKR und Mitorganisator dieses Marsches durch die Innenstadt, der nach der Kundgebung am Michaelerplatz als Faschingsumzug angemeldet ist, um das Tragen der vollen Montur mitsamt Degen (eigentlich sind Aufmärsche mit Waffen verboten), zu legalisieren, hält zum Beispiel nicht hinter dem Berg mit seiner Angst vor einer „Ausländerflut biblischen Ausmaßes“, die die „Deutschen Länder“ betreffe. Weiters sei es für ihn sehr erschütterlich, dass „das Deutsche Volk nach wie vor in verschiedenen Staaten leben muss“ und es zumindest einer „Rückführung des Fremden“ und „Steigerung der eigenen Geburtenrate“ bedürfe, um diese „Überfremdung“ bekämpfen zu können. Weitere Facts, wieso die Burschenschaften für uns – und zum Glück viele andere auch –nicht tolerierbar sind, findet ihr im folgenden Artikel.

 Soft Facts: Ursprung

Um zu erläutern, wieso Burschenschafter (auch genannt Deutschnationale Burschenschaften, Völkische Verbindungen oder Deutschvölkische Korporationen) nicht nur in unseren Augen am rechten Rand der Gesellschaft stehen und nicht zu tolerieren sind, sollten wir zuerst kurz die historischen Ursprünge beleuchten.

Burschenschafter sehen sich gerne als Vertreter einer demokratischen Position und als treibende Kraft in der Revolution 1848 und stellen sich auch in den Medien dementsprechend dar – allerdings steht ganz klar fest, dass dies nur eine Taktik der Geschichtsverdrehung ist, um zu verschleiern, für was Burschenschaften eigentlich stehen: Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, Nationalismus und Rechtsextremismus. Bereits bei der Gründung der Urburschenschaft in Jena 1815, welche sich auf die Prinzipien „Ehre, Freiheit und Vaterland“ berief, ließ Gründungsvater Friedrich Ludwig Jahn verlautbaren: „Haß (sic!) alles Fremden ist des Deutschen Pflicht“.

Eben jene Urburschenschaft sollte damals den Zweck erfüllen, die vielen kleinen, landsmannschaftlichen Burschenschaften Deutschlands, die sich an den Universitäten im Zuge der Befreiungskämpfe gegen Napoleon gebildet hatten, zu vereinen. In ihrer Revolutionspanik agierten Burschenschaften gegen Emanzipation und Demokratisierung – sie forderten einen preußisch-deutschen Machtstaat und übernahmen Riten von den Landsmannschaften und Corps, also Typen deutschnationaler Männerverbindungen an Hochschulen, die meist politisch pluralistischer als Burschenschaften, allerdings elitärer eingestellt sind, oder zum Beispiel die Mensur kennen, ein Ritual in Männerkorporationen, bei dem zwei Männer aus verschiedenen Verbindungen sich im Kampf mit Hiebwaffen ihre „Ehrhaftigkeit“ versichern. Allerdings soll dabei nicht einmal unbedingt ein Sieger ermittelt, sondern jedes „unehrenhafte“ Zurückweichen vermieden werden.

Durch die Zertrümmerung des mittelalterlichen Deutschen Reiches durch die napoleonischen Heere wurden die Jüd_innen aus den jüdischen Ghettos befreit und galten den Burschenschaftern daher als ebenso verhasst wie die französische Fremdherrschaft, was den (bereits vorher da gewesenen) Antisemitismus des Großteils der Bevölkerung und vor allem der Burschenschafter erstarken ließ. Antisemitische Ausschreitungen führten sogar so weit, dass 1819 im Zuge der Karlsbader Beschlüsse vorübergehend das Verbot des Korporationsunwesens verhängt wurde.

Wieso also können es sich Burschis heute trotz dieses ausgewiesenen Antisemitismus und Nationalismus herausnehmen, sich als stolze Träger der Revolution 1848 zu sehen?

Nun, sie berufen sich darauf, in den Widerständen gegen die Mächte der Restauration, in denen vor allem heute angesehene Grundrechte wie die Freiheit der Bäuer_innen oder Pressefreiheit gefordert wurden, aufgrund des nationalistischen Gedankenguts das Bindeglied zwischen revolutionären Bäuer_innen, Arbeiter_innen und Bürger_innen gewesen zu sein. Als allerdings dieser nationalistische Kitt immer unbedeutender wurde, da die Forderungen dieser Revolution sich mehr und mehr auf soziale Themen einschrieben, ließen sie diese Bevölkerungsschichten schnell wieder fallen, traten in Opposition zu ihnen und erwiesen dem Herrscher bereits 1859 wieder ihren Respekt, um ihren akademischen Status und guten Lebensstand nicht zu gefährden. 1863 wird die Beteiligung an der Revolution schon als (unerwünschte) „republikanische Beimengung“ gesehen. Natürlich wird dieser Teil der Geschichtsschreibung heute gerne vergessen.

Seit damals bis 1945 standen Burschenschaften niemals mehrheitlich aufseiten der Demokratie. So waren sie zum Beispiel gegen die Erlaubnis für Frauen, zu studieren, gegen das allgemeine, gleiche Wahlrecht, gegen das Frauenwahlrecht und am Juliputsch 1934 beteiligt.

Die deutschnationale Ideologie der Burschenschaften mit ihrem antisemitischen, antirevolutionären und antitraditionellen Gedankengut, wie Claussen schreibt, eignete sich also gut dazu, zum Kern der späteren nationalsozialistischen Exzesse zu werden.

So bereiteten einige österreichische Korporationen als akademische Tarnorganisation die Machtübernahme der illegalen NSDAP vor. Nach der Machtübernahme dieser waren Burschenschaften nicht mehr nötig, da ihre Ideale sich in der Regierung widerspiegelten, weshalb alle Mitglieder der Deutschen Burschenschaft, die den größten Dachverband deutscher Burschenschaften mit Mitgliedern in Deutschland, Österreich und Chile darstellt, sich in die „Kameradschaften des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes“ überführen ließen.

 Hard Facts: Heute

Nun könnte doch argumentiert werden, die Nationalsozialisten hätten den folgenden Krieg doch verloren und die ganze Geschichte sei vorbei, wozu also das Ganze? NEIN! Rechtsextreme Ideologien haben den zweiten Weltkrieg zwar nicht unbeschadet überlebt, gewinnen aber in den heutigen Zeiten des Kapitalismus und vor allem der kapitalistischen Krise, rasant wieder an Stärke, was am Erstarken rechter Kräfte und Parteien besonders gut sichtbar wird. Es wird also wieder umso wichtiger, diesen Einhalt zu gebieten!

Burschenschaften haben nicht an Relevanz verloren, sie stehen in der Mitte der Gesellschaft: jeden Mittwochvormittag zum Beispiel treffen sich einige Burschenschafter an der Unirampe vor dem Hauptgebäude der Uni Wien, wo sie „der Tradition wegen“ flanieren und den Siegfriedskopf ehren, das große Symbol des Deutschtums. Auch der ehemalige dritte Nationalratspräsident Martin Graf ist in der Burschenschaft Olympia organisiert und auch FPÖ-Mitglied Andreas Mölzer ist nur einer von 34 (Stand 2010) Abgeordneten der FPÖ, welche in Corps oder Burschenschaften organisiert sind. Doch nicht nur in der Politik, sondern auch an der Uni lassen sich genügend Beispiele für Burschenschafter finden, die hohe Ränge einnehmen. Während die Zahl der Burschenschafter in den Rektoraten und Dekanaten der österreichischen Hochschulen zumindest langsam abgebaut werden, ist die Verbindung der völkischen Korporationen mit der FPÖ, einer gewählten und somit „legitimierten“ Partei, als deren deutschnationaler Flügel besonders besorgniserregend, da rassistische, sexistische, homophobe, antisemitische und deutschnationale Ideologien schneller und ungehinderter verbreitet werden können.

Wir sehen also: Die Tradition der heutigen Burschenschafter sind NICHT die Nachfahren der Revolution von 1848, sie sind NICHT die Träger der Demokratie, sie waren immer rechtsextrem, rassistisch, sexistisch, antisemitisch und deutschnational und sind es noch heute. Sie verbreiten ausländerfeindliche und maskulinistische Bilder und schrecken vor nichts zurück, um ihre „Prinzipien“ verteidigen zu können.

Lassen wir nicht zu, dass rechte Ideologien sich Platz in unserer Gesellschaft verschaffen, vermiesen wir den Burschis ihr Fest! No pasaran!

 Verena

Quellen

ÖH Wien (Hg.) (2010): Völkische Verbindungen. Beiträge zum deutschnationalen Korporationsunwesen in Österreich. Wien: REMAprint.

ÖH Wien (Hg.) (2013): Konservatismus. Elitarismus. Männerbündelei. Der österreichische Cartellverband – Dachverband Katholischer Studentenverbindungen. Wien: Holzhausen Druck Gmbh.

http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20140408_OTS0023/nowkr-etikettenschwindel-bei-burschenschaftlichem-fest-der-freiheit (29.05.2014)

This entry was posted in Analyse, Burschenschaft and tagged . Bookmark the permalink.