Die Raiffeisen – Eine Macht in Österreich

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Warum Raiffeisen?
Zu den GewinnerInnen der Krise gehört der Raiffeisen-Konzern – der größte Konzern Österreichs. Um Raiffeisen in Österreich zu verstehen, muss man historisch ansetzen. Im Zuge der endgültigen Entlassung der Bauern und Bäuerinnen aus dem feudalen System im Laufe des 19. Jhdts. gab es große Schwierigkeiten, die kleinteilige landwirtschaftliche Produktion und Verteilung auf den sich entwickelnden kapitalistischen Märkten vor dem Hintergrund zunehmenden Bedarfs in den wachsenden Industriestädten zu organisieren. Während Friedrich Wilhelm Raiffeisen in Deutschland tatsächlich lokale Genossenschaften gründete, wurden die „Raiffeisen“-Genossenschaften in der Habsburgermonarchie von Beginn an zentral geplant und mit Hilfe lokaler Autoritäten durchgesetzt. Der Raiffeisen-Konzern beruft sich daher auf seine bodenständige Verankerung in bäuerlichen Genossenschaften. Dabei ist er längst eine Aktiengesellschaft mit Töchtern im In- und Ausland.
Der Konzern hat auf fast allen Ebenen und in vielen Kernbereichen von Wirtschaft und Politik seine Finger drin. Das fängt damit an, dass Raiffeisen die Produktions- und teilweise die Distributionskette bei verschiedenen landwirtschaftlichen und anderen Produkten kontrolliert und so in der Lage ist, die Preise mit zu bestimmen. Weiter geht es damit, dass die Raiffeisen-Gruppe enormen Einfluss auf die Politik in Österreich hat. Mehr als bei jedem anderen Unternehmen wechseln Spitzenmanager von Raiffeisen in die Politik und zurück. Allein der ÖVP-Bauernbund stellte in der vergangenen Legislaturperiode 13 Nationalratsabgeordnete, von ihnen hatten wiederum sieben ein Naheverhältnis zu Raiffeisen1. Damit nicht genug: die Raiffeisen Investment AG – eine Tochter des Raiffeisenkonzerns – ist eine gern gesehene Beraterin, wenn Regierungen in Osteuropa staatliche Firmen privatisieren wollen.
Dem Raiffeisen-Konzern wird auch das Steuer(nicht)zahlen leicht gemacht: So hat die Raiffeisen Landesbank Niederösterreich-Wien, eines der größten Institute von Raiffeisen, zwischen 2006 und 2008 keinen Cent an Steuern bezahlt, sondern im Gegenteil sogar eine Steuergutschrift von etwa 20 Millionen Euro erhalten. Im gleichen Zeitraum haben die Raiffeisen-Landesbanken auf ihre insgesamt 1,9 Milliarden Euro Gewinn lediglich 1 % an Steuern bezahlt.

Raiffeisen und landwirtschaftliche Produktion

In Österreich wird zum Beispiel fast der gesamte Zuckermarkt von der Firma Agrana kontrolliert – die Agrana gehört zu 100 Prozent dem Raiffeisen-Konzern. 2011 erhöhte Agrana den Preis für Zucker um 20 Prozent. Sie hat sich dabei u.a. auf gestiegene Weltmarktpreise berufen. Der Weltmarkt bezieht sich aber auf Rohrzuckerpreise; der europäische Rübenzuckermarkt ist dagegen vom Weltmarkt nahezu vollständig abgeschottet. Das gilt in Österreich noch vermehrt, weil Raiffeisen alle Produktionsstufen kontrolliert. Dabei geht es nicht nur um das Packerl Zucker, dass wir ab und an kaufen. Zucker ist in fast allen industriell hergestellten Lebensmitteln enthalten. Somit hat die Agrana/Raiffeisen für die eigenen Profitinteressen mal eben die Teuerung in Österreich ordentlich angetrieben.
Ganz nebenbei hat die Agrana in Österreich auch das Monopol auf die Herstellung von Biotreibstoffen, heute besser bekannt als „E10“. Die Fabrik dafür ist interessanterweise genau 2006 in Betrieb gegangen. Das ist das Jahr, als in der EU die 5-Prozent Beimischung von Biotreibstoff zu normalem Treibstoff beschlossen wurde. Mit beschlossen hat das damals der Landwirtschafts- und Umweltminister Josef Pröll. Er gehört zur Landwirtschaftskammer und zum Bauernbund der ÖVP. Nach seiner Zeit als Vizekanzler sitzt er heute im Vorstand eines Investmentkonzerns, der ebenfalls Raiffeisen gehört.
Auch bei allen Milchprodukten, bei Käse, Molke etc. hat der Raiffeisenkonzern eine monopolartige Stellung: 99% bei Frischmilch, 95% bei Butter, 80% bei Joghurt. Zwar gibt es in Österreich zwei große Firmen, die NÖM und die Berglandmilch – aber beide gehören zum Raiffeisen-Konzern, es besteht hier also eine Scheinkonkurrenz. Raiffeisen ist nicht zuletzt durch die Milchgenossenschaften so groß geworden. Der „Milchgroschen“ soll dabei den kleinen und mittleren Bauern und Bäuerinnen die Deckung ihrer Produktionskosten sichern. Er beträgt derzeit 36 Cent pro Kilo. Das ist laut der IG Milch nicht genug, es bräuchte mindestens 47 Cent pro Kilo.
Während Großbauern und -bäuerinnen mit dem Anbau von Monokulturen und mit Massentierhaltung ihr Geld verdienen und aus den Fördertöpfen für Landwirtschaft reich bedient werden, kommen kleine bäuerliche Betriebe nicht einmal auf ihre Produktionskosten und müssen ihre Betriebe aufgeben oder verkaufen. Da ist es interessant, dass die Landwirtschaftskammern, in deren Präsidium übrigens auch zwei Vertreter des Raiffeisen-Konzerns sitzen, frei über alle Subventionen für die Landwirtschaft von EU- und Bundesebene verfügen können und damit nach ihren Interessen verteilen können.

Raiffeisen und Politik

Die ÖVP mit allen ihr angeschlossenen Teilorganisationen (Bauernbund, Wirtschaftsbund, …) bildet mit 700.000 Mitgliedern den größten konservativen Block in Österreich. In diesem Block gibt es eine enge Verflechtung von Raiffeisen und ÖVP-Politik in Form von Austausch der Funktionäre. D.h. das ehemalige bzw. zukünftige Raiffeisen-Manager politische Funktionen übernehmen. Raiffeisen hat damit immer die besten Informationen zur Verfügung und kann gleichzeitig direkt Einfluss auf die Politik nehmen wie kein anderes Unternehmen in Österreich. Josef Pröll als ehemaliger Vizekanzler ist nun Manager des zur Raiffeisen-Holding Niederösterreich gehörenden international tätigen Investmentkonzerns Leipnik-Lundenburger.
Aber auch auf anderen Ebenen herrscht emsiges Kommen und Gehen: Michael Höllerer war Assistent von Walter Rothensteiner, dem Chef der Raiffeisen Zentralbank. Im Finanzministerium war er anschließend als Experte für Banken und Finanzmarkt eingesetzt. Offensichtlich sind alle Aufträge erledigt – jedenfalls kehrte er zurück zur Raiffeisen Zentralbank.

Raiffeisenkonzern international

Kürzlich wurde bekannt, dass die Raiffeisen Bank International (RBI) massive Einsparungen bei ihrem Personal umsetzen wird. Diese RBI beteiligte sich maßgeblich an jenen Geschäften und Spekulationen, die die heutige Krise verursacht haben. Gerade die RBI hat massenhaft faule Kredite in Osteuropa vergeben und dadurch Verluste eingefahren. Nun werden die Verluste zum Teil hauptsächlich auf die Angestellten der osteuropäischen Partnerbanken abgewälzt, die sich Entlassungen und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen gegenübersehen. Insgesamt wurden zwischen 15% und 20% der Angestellten entlassen. Gleichzeitig ließ sich die Raiffeisen-Zentralbank mit 1,75 Milliarden Euro Staatshilfe „retten“ und hat im Gegensatz zu anderen Banken noch gar nicht angefangen, diese zurück zu zahlen.
Außerdem beteiligt sich der Raiffeisenkonzern als Berater bei der Privatisierung staatlicher Betriebe hauptsächlich in Osteuropa. Auf der Homepage der Raiffeisen Investment brüstet er sich, welche Regierungen gerne Beratungsleistungen in Anspruch nehmen: Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kroatien, Montenegro, Bulgarien, Türkei. Von Telefonunternehmen über die Tourismusbranche bis zur staatlichen Erdölindustrie – alles bringt Raiffeisen erfolgreich unter den Hammer.

Gegen Raiffeisenmacht

Doch es regt sich auch Widerstand gegen das System Raiffeisen. 2008 hat in Österreich die IG Milch gemeinsam mit der deutschen AbL (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft) an dem von Frankreich ausgehenden europaweiten Milchstreik teilgenommen. Solche Aktionen sind wichtig. Ihnen steht aber mit ÖVP-Bauernbund und der Raiffeisen/Milchindustrie eine Machtkonstellation gegenüber, der nur schwer beizukommen ist. Dazu braucht es weitere Verbündete, die auf Basis gemeinsamer Interessen zusammenarbeiten. Möglicherweise kann mehr erreicht werden, wenn die ArbeiterInnen der Molkereibetriebe einbezogen werden.
Als 2007 die Energieversorgung von Oberösterreich über einen Börsengang der Energie AG privatisiert werden sollte, startete eine massive Kampagne dagegen. 90.000 Unterschriften wurden gesammelt, um eine BürgerInnenbefragung durchzuführen. Die ÖVP-Landesregierung stoppte daraufhin den Börsengang – ein wichtiger Erfolg. Letztendlich wurde doch privatisiert, indem Aktien an Banken und Versicherungen direkt verkauft wurden – der größte Abnehmer war … der Raiffeisenkonzern. Unterschriften können Druck ausüben – die Politik findet jedoch immer wieder Wege, die öffentliche Kontrolle zu umgehen.
Es gäbe über Raiffeisen noch viel mehr zu erzählen. Zum Beispiel über ihren Einfluss bei vielen österreichischen Medienunternehmen wie der News-Gruppe oder ihre Rolle als größter Schalter von Inseraten im Land; über ihre Finanzierung von Landraub und ihre maßgeschneiderten Angebote für Nahrungsmittelspekulationen; über die Aktivitäten im Immobiliensektor. Und vor allem darüber, dass ein privater Konzern es geschafft hat, dass auf allen Ebenen der Politik ihre Vertreter und Vertreterinnen sitzen und direkten Einfluss auf die Bundes- und Landesregierungen und die Gesetzgebung nehmen.
Die Verflechtung von Politik und Wirtschaft wie im Beispiel der Verflechtung von Raiffeisen uns ÖVP ist nichts Neues im Kapitalismus. Andere Parteien wie die SPÖ haben ebenfalls ihre Verbindungen zur Wirtschaft. PolitikerInnen handeln nicht neutral, sondern gemäß der Interessen derjenigen Kapitalfraktionen, denen sie verbunden sind.
Diese Art der Machtkonzentration ist in Österreich nur wenigen bewusst. Die meisten nehmen den Raiffeisenkonzern wahr als die nette Bank um die Ecke oder als Arbeitgeber in den vielen Töchtern und Holdings. Gemeinsam mit der Blockupy-Plattform Wien versuchen wir daher mit Aktionen und Veranstaltungen dieses Thema aufzugreifen. Immerhin rühmt sich der Konzern selbst, „die einzige österreichische Bankengruppe in österreichischem Eigentum“ zu sein. Umso mehr fordern wir die demokratische Kontrolle seiner Aktivitäten in Wirtschaft und Politik.

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