Macht Wien zu Innsbruck !

Innsbruck, 30.November 2013

Als bekannt wurde, dass die Verbandstagung der Deutschen Burschenschaft im November in Innsbruck stattfinden sollte, konnten sich zunächst nur wenige vorstellen, dass dies zu größeren Protesten führen würde. Doch das Bündnis „Innsbruck gegen Faschismus“ organisierte eine breite Plattform und schaffte es, das Verbandstreffen öffentlich zu thematisieren. Am Verbandstag selbst demonstrierten ca. 2.000 Teilnehmer_innen durch Innsbruck.

Die Innsbrucker Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer positionierte sich klar mit ihrer Aussage, den deutschnationalen Burschenschaften den Versammlungsort zu entziehen: “Ich bin der Meinung, dass eine solche Versammlung, bei der Vortragende wie Andreas Mölzer und Walter Tributsch (…) zu den Anwesenden sprechen werden, besonders im Jahr des Pogromgedenkens in Innsbruck nicht erwünscht ist”.

Dabei erhielt sie Rückhalt von „Innsbruck gegen Faschismus“ und schließlich wurde der Vertrag mit der Messehalle Innsbruck auf ihre Empfehlung von den Haupteigentümern (Stadt Innsbruck, Land Tirol, Tiroler Tourismusverband, Wirtschaftskammer) aufgelöst. Dies war ein wichtiger Schritt, der die Proteste stärkte und klar machte, dass Burschenschafter nicht einfach so hingenommen werden müssen.

Nun stellen sich ein paar Fragen, insbesondere wenn wir auf Wien schauen: Wie war das möglich? Warum ist dies bis jetzt nicht unter Rot/Grün in Wien passiert – Stichwort Hofburg und Akademikerball – und was bedeutet dies für die Mobilisierung gegen den Akademikerball?

Breites Bündnis mit klarem Fokus

Entscheidend für den Erfolg des Bündnis „Innsbruck gegen Faschismus“, welches wochenlang gegen den Verbandstag der Burschenschafter mobilisierte und zu Protesten aufrief, war die politische und gesellschaftliche Breite. Die Unterstützer_innen des Bündnisses umfassten Parteien (Grüne, SPÖ, KPÖ), Gewerkschaften, Friedensgruppen, migrantische Organisationen, kirchliche Verbände und linke Gruppen. Nicht weniger entscheidend für den erfolgreichen Protest war der gemeinsame Aufruf, welcher eine breite Beteiligung ermöglichte. Neben Hintergründen zu Burschenschaften wurden die Verbindungen zur FPÖ aufgezeigt. Als gemeinsames Ziel wurde eine Demonstration gegen den Verbandstag für Freiheit, Vielfalt und Demokratie formuliert.

Das bedeutete, den Protest nicht bei Appellen und Presseaussendungen stehen zu lassen, sondern einen sichtbaren Protest auf der Straße in den Mittelpunkt zu stellen. Am Tag selber kam es vor der Demonstration sogar zu Blockadeversuchen gegen eine spontan angemeldete Demo der Burschenschafter.

Der Erfolg in Innsbruck hat also zwei Gesichtspunkte: Auf die politische Entscheidungsebene konnte im Vorfeld so viel Druck ausgeübt werden, dass diese die Verbandstagung in ihren Räumlichkeiten untersagte. Und das Bündnis gegen Faschismus schaffte es eine breite und laute Demonstration mit mehr ca. 2.000 Teilnehmer_innen zu organisieren. Ein Kommentar in der Süddeutschen schätzt die Ereignisse in Innsbruck sogar wie folgt ein: “Die Entscheidung der Stadt ist überraschend – und könnte in Österreich für eine Wende im Umgang mit den Bünden sorgen.”

Und in Wien?

Bezüglich des Akademikerballs ist eine Wende im Umgang mit Burschschaften wünschenswert, allerdings kein Automatismus. Daher dürfen wir nicht auf ein plötzliches Umdenken in der Wiener Stadtregierung und der Hofburg Ges.m.b.h. hoffen. Im Gegenteil: Es liegt an uns den Burschenschafterball weiterhin öffentlich zu thematisieren und breite Proteste zu organisieren.

Die erste Mobilisierung zu Protesten gegen den WKR-Ball – heute Akademikerball – durch das NoWKR-Bündnis geht in das siebte Jahr. 2012 sind mit „Offensive gegen Rechts“ (OGR) und Jetzt-Zeichen-Setzen zwei weitere Bündnisse neben NoWKR mit unterschiedlicher Ausrichtung hinzugekommen.

Innerhalb der letzten zwei Jahre konnten – trotzdem es kein gemeinsames Bündnis gab – einige Erfolge errungen werden:

Burschenschafter sind kein Randthema mehr; der Bekanntheitsgrad und der Unmut über deren jährliche Veranstaltung in der Hofburg und die Hintergründe dazu sind um einiges gewachsen. Die mediale und politische Debatte um den Ball hat zugenommen. Ursache ist die breitere Mobilisierung seit 2012, die mit den Bündnissen OGR und Jetzt-Zeichen-Setzen erreicht werden konnte. Letztes Jahr waren unter den Unterstützer_innen der OGR erstmals Teilgewerkschaften wie PRO-GE oder Bau-Holz genauso zu finden wie Attac.

Ein weiterer Erfolg ist die schwindende TeilnehmerInnenzahl beim Ball selber: statt den 2500 Teilnehmer_innen im Jahr 2011 waren es 2013 nur noch ca. 750. Strache ließ sich nicht blicken; ebenso die rechtsextremen Größen Europas, die der Veranstaltung fernblieben.

Durch Blockaden konnte der Zugang zur Hofburg erfolgreich erschwert und Teilnehmer_innen stundenlang festgehalten werden. So konnte der Ball 2012 erst mit erheblicher Verspätung beginnen. Die Verbindung aus breitem Protest und erfolgreichen Blockadeaktionen hinterließen ihre Spuren bei der Beteiligung des rechten Treibens in der Hofburg.

2014 werden wieder alle Bündnisse gegen den Akademikerball mobilisieren. NoWKR und OGR werden Demonstrationen organisieren; Jetzt-Zeichen-Setzen eine Kundgebung auf dem Heldenplatz.

 EU-Wahlen und neue Ideologien im rechten Lager

2014 findet der Akademikerball im Jahr der EU-Wahlen statt. Damit könnte der Vernetzungscharakter des Balls wieder mehr hervortreten. In vielen Ländern der EU werden der politischen Rechten hohe Zugewinne bei den Wahlen vorausgesagt, so beispielsweise der Front National in Frankreich, die nach Umfragen sogar den ersten Platz erreichen könnte. Der Tagesspiegel schreibt: „So ist die Euro-Krise zum Reanimierungsprogramm geworden für Kräfte, die man sonst eher in der politischen Vergangenheit vermutet. Der moderne Rechtspopulismus ist flexibler geworden, er hat eine gewisse kulturelle Tumbheit überwunden und er bedient sich moderner Medien und Methoden.“

Die Rechte Europas will sogar mit einer gemeinsamen rechten Plattform antreten. Kent Ekeroth  EU-Abgeordneter und internationaler Sekretär der Schwedendemokraten: „Wir sind interessiert an einer Kooperation mit neuen patriotischen Parteien und nicht mit antisemitisch oder rassistisch eingestellten Gruppierungen wie Jobbik in Ungarn.“ Natürlich ist dies Vertuschung und Strategie – allein in der FPÖ finden sich genug antisemitische und rassistische Akteure und Inhalte.

Was hat es nun mit diesen Aussagen auf sich? Rechte Parteien versuchen sich mit konservativen und reaktionären Argumenten in der Gesellschaft zu positionieren und diese für breite Schichten konsensfähig zu machen.

Auch der biologisch argumentierende und sich auf Rassenkategorien berufende Rassismus ist in Europa weitestgehend nicht mehr salonfähig. An dessen Stelle tritt zunehmend ein Rassismus, der die Menschen entlang kultureller Unterschiede voneinander abgrenzt und diskriminiert. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Religion. So ist im Zuge geopolitischer Konflikte und dem Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in Europa der Islam zum Feindbild und zur unmittelbaren Bedrohung für den Frieden der „westlichen Welt“ konstruiert worden.

„Die Konzentration auf den Islam als Hauptfeind der Nation bringt also auch den Vorteil mit sich, die politisch vergiftete Rede von den „Rassen“ zu vermeiden.“ (Richard Seymor, Breivik und der Faschismus des 21.Jahrhunderts). Der Rassismus der Rechten in Europa braucht keine eigenständige Ideologie zu entwickeln, sondern er bedient sich vorhandener Ressentiments und fördert bewusst Stimmungen gegen “das Andere”; seien dies Muslim_innen, Migrant_innen, Sinti und Roma, oder “die faulen Griechen”.

Ob der Akademikerball diesen Vernetzungsbestrebungen eine Plattform bieten wird, kann jetzt nicht eingeschätzt werden. Einerseits ist die Tradition als Vernetzungsort der europäischen Rechten auf Grund der Proteste der vergangenen Jahre nicht mehr attraktiv. Andererseits sind gerade die Burschenschafter unter Strache eine wichtige Fraktion innerhalb der FPÖ geworden und diese ist wiederum ein wichtiger Teil in dem Projekt, eine eigene Fraktion im EU-Parlament aufzubauen. Wenn der WKR-Ball wieder zu einem Vernetzungstreffen wird, dann ist das öffentliche Interesse größer. Das erleichtert eine Mobilisierung, aber ein Protest sollte davon nicht abhängig sein, denn wie Natascha Strobl von OGR in ihrem Beitrag in Innsbruck richtig sagte: „Nein, wir demonstrieren heute nicht gegen 150 rechte Freaks. Wir demonstrieren gegen zukünftige Rechtsanwälte, Vorstandsmitglieder und Parlamentarier. Und das ist das wirklich Mutige. Und wir stellen uns ihnen nicht nur heute in den Weg, sondern immer und überall. Egal, ob sie offen auftreten oder sich hinter einer Partei wie der FPÖ verkriechen.“

Schluss

Auch wenn der WKR-Ball eine andere Dimension als der Verbandstag in Innsbruck hat, können wir trotzdem viel lernen. Ein gemeinsames Bündnis mit klarem Ziel schafft eine Breite, die auf allen Ebenen Druck ausüben konnte und letztendlich Erfolg hatte.

In Innsbruck bestand die Möglichkeit, mit Teilnehmer_innen der Demo über den Stellenwert des Erfolges zu diskutieren, über EU-Wahlen, über Kritik an der EU-Krisenpolitik, über usw.. Das ist die große Chance eines breiten Protestes: Nämlich die Möglichkeit durch die Zusammenarbeit verschiedenster Gruppen punktuelle strategische Erfolge zu erzielen und gleichzeitig einen intensiven inhaltlichen Austausch zu haben, der zur Radikalisierung der Bewegung und zur dauerhaften Politisierung der Beteiligung führt.

Wir möchten solche Chancen erarbeiten und stehen daher zu dem Slogan „Burschenschafter raus aus der Hofburg!“. Dabei wollen wir es nicht bei dem symbolischen Protest der Demonstration belassen, sondern werden uns mit dem Einsatz von zivilem Ungehorsam den Burschenschaftern in den Weg stellen.

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