Polizei prügelt den Rechten den Weg frei und kriminalisiert linke Demonstrant_innen

Polizeigewalt 17.Mai 2014

Am Samstag, 17. Mai, gingen knapp tausend Antifaschist_innen auf die Straße, um ein Zeichen gegen rechte Ideologie und die neofaschistische Bewegung der „Identitären“ zu setzen. Trotz des Erfolgs der Gegendemonstration, welcher sich etwa daran misst, dass die Rechten nicht ihre geplante Route gehen konnten und ihre Abschlusskundgebung mitten am Weg machen mussten, hat dieser Tag auch etwas anderes ans Licht gebracht – das brutale und eskalierende Vorgehen der Polizei. Massenhafter Einsatz von Pfefferspray, Hundestaffeln, prügelnde Polizeibeamt_innen, mehrere Verletzte, 38 Festnahmen – das ist das Resultat des eskalierenden Polizeieinsatzes.

http://cg-politics.blogspot.co.at/2014_05_01_archive.htmlDie Polizei wird von bürgerlicher Seite oft als neutrale Ordnerin gesehen, die kein politisches Interesse hat und nur eine Funktion zu erfüllen hat – nämlich die derzeitige „Ordnung“ aufrechtzuerhalten. Dass die Polizei aber keine neutrale Akteurin ist, zeigen immer wieder Vorfälle, wie z.B. die vom 17.Mai. Es soll hier weniger darum gehen, eine Analyse nachzuzeichnen, warum es so zu keiner deeskalierenden Situation kam, sondern eher darzulegen, dass die Polizei keine neutral agierende Instanz ist; vielmehr durchaus zugunsten einer Seite agiert und dabei Unschuldige kriminalisiert.

Gewaltbereite Polizist_innen

Der Demospruch: „Wiener Polizist_innen schützen die Faschist_innen“ ist nicht einfach nur so daher gesagt, sondern gründet sich etwa darin, dass Polizist_innen, welche die Demonstration der sogenannten „Identitären“ begleiteten, nicht nur die Rechten geschützt haben, sondern ihnen mit den Schildern den Weg von linken Gegendemonstrant_innen frei gedrückt haben. Die Polizei riss gewaltsam Menschen aus den friedlichen Sitzblockaden (Menschenketten) und zerrte sie an den Rand. Teilweise hockten mehrere Polizist_innen auf einem oder einer Demonstrierenden. Bilder und Videos zeigen, wie Demonstrant_innen zu Boden gedrückt werden und Polizist_innen auf diese einprügeln. Ein Video belegt: „Identitäre“ verhandelten mit der Polizei die Zeit für ihre Abschlusskundgebung; ein Polizist gewährte ihnen noch weitere Minuten, obwohl er zugab, dass sie die Situation nicht mehr unter Kontrolle halten könnten. Die Polizei setzte massenhaft Pfefferspray gegen friedliche Demonstrierende ein, um die Situation wieder unter Kontrolle zu bekommen. Pfefferspray ist anscheinend ein legitimes Mittel der Wiederherstellung von „Ordnung“. So zeigen Fotos, dass Menschen aus nächster Nähe in friedlicher Geste mit offenen Armen mitten ins Gesicht und auch einem Mann, obwohl er schon am Boden lag, noch Pfefferspray ins Gesicht gesprüht wurde. Der Gebrauch dieser chemischen Waffe war sogar noch in der U-Bahn zu spüren. Einer jungen Frau wurde der Knöchel doppelt gebrochen, als die Polizei willkürlich Demonstrant_innen verfolgte und mit Hundestaffeln jagte.

Ob im Trubel des Geschehens ,passiert‘ oder doch mit entschlossener Brutalität vorgegangen, lässt sich im Nachhinein schwer beurteilen; jedenfalls war das Vorgehen der Polizei von Beginn an auf Eskalation ausgelegt und unverhältnismäßig hart.

Eine kleine Gruppe von Demonstrant_innen wurde in der Josefstädter Straße verfolgt und aus unerfindlichen Gründen in einen Kessel gedrängt. Worauf einige Demonstrant_innen in eine Parfümerie flüchteten bzw. von Polizist_innen hineingedrängt wurden. Der dabei entstandene Sachschaden von € 230 Euro reichte aus, um 18 Personen wegen schwerer Sachbeschädigung festzunehmen; einigen – wie auch mir – wurde daraufhin noch versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen – ohne jegliche Beweise. Der Schaden – ein umgefallener Produktständer – wäre nicht entstanden, hätte die Polizei die Demonstrierenden nicht in diese Geschäftsfiliale gedrängt. Personen wurden aus dem Geschäftslokal gezogen, mussten sich mit dem Bauch auf den Gehsteig legen; eine Frau wurde von einem Polizisten getreten. Selbst die Adrenalin geladene Situation entschuldigt nicht, dass Polizist_innen die Festgehaltenen – unter anderen mich – lautstark als „G’fraster“, „Rotzen“ und „linkes G’sindl“ beschimpften! Aber nicht nur einzelne Polizist_innen am ,Tatort‘ agierten höchst unprofessionell und aggressiv; bei meiner Einvernahme in der Rossauer Lände sprach ein Kriminalbeamter von „Randalierern“ und einer „Stürmung der Parfümerie“ als dieser mit dem Staatsanwalt telefonierte, welcher darüber befand, ob ich freigelassen werde oder in U-Haft komme. Eine sachliche Darstellung sieht anders aus! Worte können sehr mächtig sein und vermeintlich Unschuldige ins Gefängnis bringen, wie Josef, der mittlerweile seit über vier Monaten in U-Haft sitzt und nach den Protesten gegen den sogenannten „Akademikerball“ [sic!] im Jänner festgenommen wurde. Polizist_innen nehmen hier keine objektive Perspektive ein, sondern nehmen willkürlich Unschuldige fest und kriminalisieren linke Demonstrierende.

Viele Festgenommene mussten nach der Demonstration gegen die „Identitären“ stundenlang in einer kleinen Zelle ausharren, ohne dass ihnen gesagt wurde, warum sie überhaupt festgehalten werden. Erst acht Stunden nach der Festnahme wurde mir das Informationsblatt für Festgenommene ausgehändigt, welches mir meine Rechte als Festgenommener darlegte. Trotz der langen Inhaftierung bekamen ich und die anderen Gefangenen keine Mahlzeit. Ich wurde einer Leibesvisitation unterzogen, wurde fotografiert, wurde einer ärztlichen Anamnese unterzogen und musste meine Fingerabdrücke abgeben. Unschuldige Demonstrierende werden wie Schwerverbrecher_innen behandelt.

Rechte Polizei? Polizei als ,blaue‘ Vereinigung?

Dieses Vorgehen der Polizei kommt nicht von irgendwo. 27% der Polizist_innen wählen die FPÖ-nahe Polizeigewerkschaft AUF (Aktionsgemeinschaft Unabhängiger und Freiheitlicher). Nicht nur dies zeigt, dass viele Polizist_innen Sympathien mit rechtem Gedankengut haben, es fällt den Polizist_innen dann auch nicht schwer die rechten „Identitären“ mit Polizeischutz in der U-Bahn zum Biertrinken zu geleiten. Nicht genug: Ein Transparent der linken Gegendemonstration, welches von der Polizei beschlagnahmt wurde, tauchte später wieder Auf – auf einem Foto, wo „Identitäre“ mit diesem Transparent posen. Dieses Beispiel zeigt, dass einige Polizist_innen keine Skrupel haben, beschlagnahmtes Demonstrationsgut rechten Gruppen zur Verfügung zu stellen, um diesen Gelegenheit zu bieten, Linke zu verhöhnen.  Leider schaffen es solche Skandale nicht in die breite Öffentlichkeit, was u.a. an einer mangelhaften journalistischen Arbeit und einer geschickten Kommunikation der Polizei gegenüber den Medien liegt. Der erste ORF.at-Bericht etwa zeigte ausschließlich Fotos, welche die Polizei veröffentlicht hatte. Diese zeigten gewaltbereite linke Demonstrant_innen; mit keinem Wort wurde erwähnt, dass die überwiegende Mehrheit der Demonstrant_innen friedlich demonstriert hatte und zuerst Opfer von Waffengebrauch von Seiten der Polizei wurde. Das Werfen von Steinen einer Hand voll Demonstrant_innen war eine Reaktion auf den Pfeffersprayeinsatz der Polizei (was natürlich trotzdem dadurch nicht legitimiert werden soll).

Es geht auch anders!

Die Ereignisse vom 17. Mai zeigten einmal mehr, dass die Polizei keine neutrale Schlichtungsinstanz ist, sondern zugunsten einer Gruppe agieren kann – in diesem Fall zugunsten der Rechten. Linke, friedliche Demonstrierende werden somit kriminalisiert, festgenommen und enormer Repression und Gewalt ausgesetzt. Nicht zuletzt muss aber betont werden, dass zwar die Polizei als Institution eine Funktion einnimmt, das staatliche Gewaltmonopol ausübt und keine Konsequenzen befürchten muss, dass aber nicht alle Polizist_innen eskalieren. Um hier Transparenz zu schaffen und nicht alle Polizist_innen zu kritisieren, ist es notwendig, dass die Polizei eine deeskalierende Vorgehensweise wählt, dahin gehend ausgebildet wird und dass Polizeibeamt_innen endlich mit ihrer Dienstnummer gekennzeichnet werden. Außerdem muss Sorge dafür getragen werden, dass die Polizei kein Ort sein darf, an dem einzelne ihre rechte Ideologie ausleben können. Das Fehlverhalten einzelner Polizist_innen muss Konsequenzen haben. Ob der Rücktritt des Polizeipräsidenten, wie ihn viele fordern, nachhaltige Wirkung hat, bleibt dahin gestellt, es wäre zumindest ein symbolischer Akt des Eingestehens einer falschen Vorgehensweise. Ein sinnvoller Schritt von Seiten der Demonstrant_innen kann es sein, mit Polizist_innen zu sprechen, zu beruhigen, deeskalierend zu agieren und mit ihnen über die Hintergründe der Proteste zu sprechen. Oft überrascht es, auf welches Verständnis man hierbei stößt.

Jakob

 

 

This entry was posted in Analyse, Kommentar and tagged , , , . Bookmark the permalink.